"Es gibt zwei Zeiten im Leben eines Mannes, in denen er nicht spekulieren sollte:
Wenn er es sich nicht leisten kann und wenn er es kann." - Mark Twain

Performance

Sehr geehrte RICHTWERT Partner & Co-Investoren,
2020 war in vielerlei Hinsicht ein denkwürdiges Jahr. Die Coronavirus-Pandemie kostete leider Millionen das Leben und brachte große Teile der Weltwirtschaft zum Stillstand. Das Bruttoinlandsprodukt der USA sowie das globale Bruttosozialprodukt sanken um mehr als 3% und somit mehr als je zuvor in den letzten 60 Jahren (1). Der amerikanische Aktienindex S&P 500 legte hingegen in derselben Zeit mehr als 18% zu und untermauerte erneut die Sinnlosigkeit von kurzfristigen Marktprognosen.
Zugleich erlebten wir mitunter auch das Beste sowie das Schlimmste im menschlichen Potential. Meine Erkenntnis daraus war, dass dieser Unterschied noch größer ist als wir meinen und auch wesentlich größere Auswirkungen haben kann, als wir uns eingestehen. So brodelt unsere Gesellschaft vor Spannungen, die meiner Überzeugung nach zunehmen werden. Wir stehen global vor Entscheidungen mit weitreichenden Folgen. Je mehr wir diese Potentialunterschiede sowie ihre Hintergründe erkennen und anerkennen, desto besser können wir Begabte fördern und fordern, um für uns alle eine erfreulichere Zukunft zu gestalten. Meine Gedanken hierzu finden Sie im Abschnitt “Was für eine Gesellschaft sollten wir uns wünschen? Ist Ungleichheit gut oder schlecht?”.
Im letzten Jahresbrief beschrieb ich, warum unsere Portfoliounternehmen gut aufgestellt sind, um der Corona-bedingten Krise zu widerstehen. Gesamthaft steigerten sie ihren intrinsischen bzw. betriebswirtschaftlichen Wert nahezu um 17% in US Dollar (USD) und umgerechnet 7% bzw. 6% in Euro (EUR) und Schweizer Franken (CHF). Da unsere Firmen von Krisen profitieren, rechne ich mit anhaltender Businessstärke.
Die Marktperformance unserer Portfoliounternehmen betrug 2020 aber nur 8.8% in USD, 0.6% in EUR und 0% in CHF. Der Grund für dieses Delta war, dass ich im Laufe des Jahres von hoch bewerteten zu tiefer bewerteten Unternehmen umschichtete und dass die Marktteilnehmer letztgenannten trotz ihrer guten betriebswirtschaftlicher Leistung und Ausgangslage weiterhin wenig Beachtung schenkten. Dass man solch kurzfristige Performance immer mit Vorsicht genießen sollte, zeigt die Tatsache, dass unser Portfolio allein in den ersten fünf Monaten von 2021 ca. 20% Kurssteigerung erzielte. Im Abschnitt “Business Performance vs. Marktperformance” gehe ich näher auf die Leistung unserer Firmen ein, stelle Ihnen drei unserer Investitionen vor und reflektiere über die getroffenen Portfolioentscheidungen.
Seit Ausbruch der globalen Finanzkrise in den Jahren 2007-2009 greifen Regierungen und Zentralbanken noch stärker als sonst in die Wirtschaft ein, um die Auswirkungen von Krisen zu mildern und uns vor weiteren zu schützen. Ihr energisches Einschreiten hat nicht nur Vorteile, sondern auch hohe Kosten sowie signifikante Nebenwirkungen wie Verzerrungen, Übertreibungen und Risiken an den Kapitalmärkten. RICHTWERTs Mission “Menschen helfen, intelligent anzulegen, damit sie das Leben leben können, das sie verdienen” entstand, weil ich ahnte, dass die Mehrheit enteignet und schließlich gezwungen werden würde, zwischen sehr tiefen Renditen und hohen Risiken zu wählen. Wie Sie aus den Charakterisierungen im Abschnitt “Wo wir stehen” erkennen können, sind die Risiken sowohl weit verbreitet als auch signifikant.
Da diese Ausgangssituation eine noch höhere Differenzierung hinsichtlich Anlagen erfordert, ist RICHTWERTs Mission heute noch relevanter. Im Abschnitt “Wie wir positioniert sind und was wir erwarten können” zeige ich Ihnen auf, wie ich unser Kapital eingesetzt habe und was wir erwarten können, wenn ich mehrheitlich richtig liege.
Wie in jedem Jahresbrief, verweise ich auf unsere Ziele, damit wir unsere Ergebnisse mit unseren ursprünglichen Zielen vergleichen können.
Was für eine Gesellschaft sollten wir uns wünschen? Ist Ungleichheit gut oder schlecht?
Diese massiven Unterstützungsmaßnahmen und ihre Kosten begünstigen und belasten nicht alle gleich. In einem kapitalistischen System profitieren hiervon in der Regel die Produktiven zu Lasten der weniger Produktiven und die Risikonehmer zu Lasten der Risikoscheuen. Doch die Kapitalisten unter uns sollten sich nicht zu früh freuen, denn wir alle zahlen auch in Form von höheren Preisen, bald wahrscheinlich auch höheren Steuern und irgendwann mal auch höheren Zinsen - die einen mehr, die anderen weniger.
Ich kann verstehen, dass signifikante Hilfestellungen temporär notwendig waren, doch diese ca. 12 Jahre lang mehrheitlich aufrecht zu erhalten, war eigennützig für die Bevorteilten und unverantwortlich gegenüber großen Bevölkerungsteilen. Die enorme Enteignung der Mehrheit war ungerecht und resultierte verständlicherweise in beträchtlichen Spannungen in unserer Gesellschaft weltweit, welche sich unter anderem wiederholt in Form von Populismus und Unruhen ausdrücken. Mit Ausbruch der Pandemie hatten Regierungen und Zentralbanken nun keine andere Wahl, als erneut außergewöhnlich starke Unterstützung anzubieten, welche wiederum die Spannungen in der Gesellschaft deutlich erhöhen wird.
Wie wir mit der kontinuierlich wachsenden Ungleichheit und der daraus resultierenden Spannungen umgehen, wird einen großen Einfluss darauf haben, wo wir angelangen. Hier sind wir alle gefragt und ich möchte an dieser Stelle nur drei Aspekte anregen, die ich glaube, einschätzen zu können:
Wir müssen nachkommenden Generationen früher mehr Wirtschaftsverständnis vermitteln, damit diese mehr Eigenverantwortung übernehmen und besser für sich sorgen können.
Wir müssen auch intelligente langfristige Anreize schaffen, damit Entscheider weniger im Eigeninteresse und mehr zum Wohle der Gesellschaft handeln. Das allein würde beispielsweise stark dazu beitragen, dass Politiker nur so viel wie nötig und so wenig wie möglich unterstützen und regulieren.
Wir müssen Ungleichheit differenziert betrachten und behandeln, denn es gibt mehrere Arten von Ungleichheit. Manche sind für uns schädlich, andere nützlich. Hierfür brauchen wir nur auf das vergangene Jahr schauen.
2020 erlebten wir mit das Schlimmste und das Beste, das Menschen zustande bringen. Von Menschen, die ihre Nachbarn einschlossen, um sich selbst vor Infektion zu schützen, bis hin zu Wissenschaftlern, die in Rekordzeit wirksame Impfstoffe entdeckten. Von Menschen und Regierungen, die lebenswichtige Vorräte eigennützig aufkauften oder stahlen, bis hin zu Ärzten und Pflegern, die ihr Leben aufs Spiel setzten, und Unternehmen, die neben ihrer Geschäftstätigkeit Bedürftigen halfen. Von Regierungen, die monatelang nicht mal in der Lage waren, ihre Bürger zu informieren, geschweige denn zu versorgen, bis hin zu einer Regierung, die Krankenhäuser innerhalb weniger Tage für Tausende erbaute. Von Betrieben, die schließen mussten, ohne eine Perspektive, wann oder ob sie wieder öffnen können, bis hin zu Firmen, die aufgrund der Pandemie ein massives Wachstum erlebten. Von Investoren, die zu Beginn der Pandemie sehr kurzfristig orientiert und ängstlich waren, bis hin zu Investoren, die gegen Ende der Pandemie einen Zeithorizont von mehreren Jahrzehnten haben und plötzlich sehr riskant investieren.
Eine klare Erkenntnis für mich ist, dass Menschen unfassbar positive wie negative Leistungen hervorbringen. Diese Divergenz hat für uns alle wesentlich größere Auswirkungen, als wir uns eingestehen, denn wir nutzen nur einen Bruchteil dessen, was die Menschheit zu bieten hat. Damit wir diese Potentiale nicht aufgrund nachteiliger Umstände vergeuden, müssen wir die weit verbreitete Chancenungleichheit weise, dringend und energisch bekämpfen. Doch die Ungleichheit der Ergebnisse ist sowohl natürlich als auch notwendig für unseren Wohlstand, weil hierdurch oft erst die notwendigen Anreize geschaffen werden. Diese Ungleichheit nahm mit dem technologischen Fortschritt und der Globalisierung zu und wird auch weiter zunehmen.
Wenn wir Lebensqualität und Wohlstand anstreben, dann dürfen wir denjenigen, die fähiger sind, keine unnötigen Steine in den Weg legen. Stattdessen sollten wir ihnen unsere wichtigsten Herausforderungen anvertrauen und sie entsprechend belohnen, damit sie ihr Potential voll ausschöpfen können. Zum einen werden sie viele mit sich in den Wohlstand heben. Zum anderen haben Regierungen dann die Möglichkeit, diesen größeren Wohlstand mittels sinnvoller Steuern umzuverteilen, um die Chancenungleichheit weltweit weiter zu senken und das Potential von noch mehr hochbegabten Menschen freizusetzen.
So wünsche ich uns allen Eltern, Lehrern, Führungspersönlichkeiten, Politikern und Medien, die uns lehren, Neid und Protektionismus zu meiden und dafür neugieriger, phantasievoller, experimentierfreudiger, offener, toleranter, ehrgeiziger und eigenverantwortlicher zu sein.
Business Performance vs. Marktperformance
Im letzten Jahresbrief beschrieb ich, warum unsere Portfoliounternehmen gut gewappnet sind, um der Coronavirus-Krise zu trotzen und davon sogar zu profitieren. Doch der wahre Test blieb aus, denn die amerikanische Zentralbank intervenierte sehr früh sehr energisch und sicherte neben Tiefstzinsen praktisch zu, für fast alle Unternehmensverbindlichkeiten gerade zu stehen. Das erwies sich als äußerst effektiv, weil dies das Risiko für die Marktteilnehmer von heute auf morgen enorm senkte und damit die Schleusen auf dem Kapitalmarkt weit öffnete. Ebenso schritten die meisten Regierungen unterstützend ein, sodass die schlimmsten ökonomischen Auswirkungen der Corona-Krise ausblieben.
Wir bei RICHTWERT profitierten hiervon auch in der kurzen Frist, doch mittel- und langfristig hat es uns vorerst gekostet, da unsere Unternehmen ihre Wettbewerbsvorteile noch nicht voll ausspielen konnten. Doch was aus Anlagesicht nicht ganz so war, wie erhofft, wird früher oder später kommen, denn was nicht ewig andauern kann, wird irgendwann aufhören. Die Opportunität für unsere Firmen wird dann möglicherweise umso größer sein (2).
Gesamthaft steigerten unsere Firmen ihren intrinsischen/betriebswirtschaftlichen Wert nahezu um 17% in USD und 6% bzw. 7% in CHF und EUR. Bei RICHTWERT verfolge ich ausschließlich eine Strategie, sodass alle Portfolios nahezu gleich investiert sind. Die genannte Differenz rührt daher, dass wir schwergewichtig in US-Firmen investiert waren und dass der Dollar letztes Jahr unter Druck kam. In der Regel sichere ich keine Währungen mehr ab, da die Absicherung teuer ist und die meisten unserer Portfoliounternehmen durch ihre internationale Ausrichtung mittelfristig eine natürliche Währungsabsicherung bieten. Kurzfristig schwankt unsere Performance in der Regel hierdurch etwas mehr, doch das braucht uns als langfristig-orientierte Investoren in produktive Unternehmen in einer global vernetzten Wirtschaft keine Sorgen bereiten.
Die folgende Grafik zeigt, die betriebswirtschaftliche Performance und die Aktienperformance unserer Portfoliounternehmen für das Jahr 2020 unabhängig von Käufen und Verkäufen meinerseits. Darüber hinaus zeigen die Farben der Balken, ob unsere Firmen ihre Wettbewerbsvorteile, die für langfristige Wertsteigerungen erforderlich sind, verteidigen oder ausweiten konnten.
Im Punkto Business Performance führten diejenigen unserer Firmen, welche E-Commerce, Cloud-Dienste, Online-Spiele und digitale Vernetzung zwischen Personen und Unternehmen anbieten, sowie Tesla die Liste an. Darauf folgten unsere Investment- und Medienfirmen. Unsere übrigen Finanzdienstleister, welche hauptsächlich Kredit- und Leasinggeschäfte betreiben, erzielten erwartungsgemäß in diesem Umfeld den geringsten Wertzuwachs. Erfreulich war, dass nahezu alle unserer Firmen auch im Jahr der Pandemie Wertzuwächse erzielen konnten. Da unsere Firmen von Krisen profitieren, rechne ich in den kommenden Jahren mit einer stärkeren Leistung relativ zu der, die sie ohne Pandemie erzielt hätten.
Noch erfreulicher war, dass gewichtet knapp die Hälfte unseres Portfolios ihre Wettbewerbsvorteile ausbauen konnte, ca. 40% des Portfolios diese verteidigen konnte und nur 11% Wettbewerbsvorteile einbüßte. Bei dieser Beurteilung gehe ich übrigens streng vor und erwarte vor allem von unseren stärksten Unternehmen, dass sie ihre Wettbewerbsvorteile nicht nur gegenüber der breiten Konkurrenz, sondern auch gegenüber dem direkten Wettbewerb ausweiten. Alphabet und Facebook z.B. legten letztes Jahr zweifelsohne gegenüber traditionellen Medienfirmen zu, doch der Vergleich mit anderen Internet-Plattformen ist anspruchsvoller.
Unternehmenswertsteigerung ist indes nur eine Seite der Medaille, die andere ist, welchen Preis wir dafür zahlen. Beim Anlegen gilt es nämlich, in die Assets zu investieren, die ihren Wert relativ zu ihrem Preis am meisten steigern werden. Wie Sie der Grafik auch entnehmen können, reichte die Spanne der Börsenperformance unserer Firmen im selben Zeitraum von -63% bis +743%. Es war also erneut kein Jahr für schwache Nerven! Bei dieser Performancespanne kann es Firmen geben, die potentiell sehr günstig und andere, die eventuell nicht mehr attraktiv bewertet sind. Folglich entschied ich, manche unserer Investitionen zu verkaufen und investierte bewusst auch in Firmen, die kurzfristig langsamer wuchsen, weil bei diesen die Relation zwischen Wert und Preis sehr günstig war.

Verglichen mit der Business Performance fiel die Markt-/Börsenperformance unserer Firmen im vergangenen Jahr dürftig aus. So betrug diese lediglich 8.8% in USD, 0.6% in EUR und 0% in CHF. Langjährige RICHTWERT Partner & Co-Investoren wissen, dass solche Diskrepanzen erfahrungsgemäß attraktive Anlagegelegenheiten geboten haben. In der Tat hat unser Portfolio zwischen Januar und Mai 2021 einen Kursgewinn von rund 20% erzielt.

Haupttreiber für dieses Delta war einerseits, dass ich im Laufe des vergangenen Jahres unsere Investitionen bei Firmen reduzierte oder veräußerte, die ich aufgrund von gestiegenen Preisen für weniger attraktiv hielt und die Erlöse in Firmen investierte, die in meinen Augen eine bessere Sicherheitsmarge sowie besseres Gewinnpotential in Aussicht stellten. Hierzu zählte auch die signifikante Aufstockung unserer bereits schwergewichtigen Investition in die Firma Grenke, die 2020 gleich fünffach herausgefordert war, sowie die Aufstockung unserer mittelgroßen Investition in Wells Fargo, weil ich beide Firmen zeitweise für massiv unterbewertet hielt. Die Aufstockung in Wells Fargo zahlte sich bereits aus und ich gehe stark davon aus, dass wir auch mit Grenke zu gegebener Zeit viel verdienen werden. Auf Grenke gehe ich im nächsten Abschnitt im Detail ein.
Einblicke in unsere Portfoliounternehmen
(Grenke, Discovery, Credit Acceptance)
In meinen Schreiben an Sie gehe ich auf einzelne unserer Investitionen näher ein, damit Sie
besser einschätzen können, was Sie tatsächlich besitzen;
in einigen Jahren beurteilen können, ob unsere Performance das Ergebnis von Glück oder Können war; und
von meinen Fehlern und Erfolgen mehr über das Investieren lernen können, wenn Sie das möchten.
Aus gegebenem Anlass berichte ich zuerst über Grenke. Anschließend stelle ich Ihnen Discovery, eines unserer Medienunternehmen, vor, bevor ich erläutere, warum ich unsere Investition in Credit Acceptance verkauft habe. Schließlich reflektiere ich über meine übrigen Portfolioentscheidungen.
Grenke
Grenke ist ein spezialisierter, internationaler Anbieter von Finanzdienstleistungen für kleine und mittelgroße Betriebe. Den Löwenanteil des Geschäfts erwirtschaftet Grenke mit Leasing von Business Equipment/Betriebsausstattungen. Daneben bietet Grenke Banking und Factoring an.
Als Leasinganbieter war Grenke aufgrund der Pandemie erstens von erhöhten Zahlungsausfällen und -verzögerungen der Kunden betroffen. Zweitens sank die Nachfrage nach Leasing, weil die meisten Firmen vorerst auf Investitionen verzichteten. Drittens wurde Grenke von einem bekannten Short-Seller attackiert und massivst beschuldigt, Investoren betrogen und getäuscht zu haben. Die Tatsache, dass dieser Short-Seller kürzlich Wirecard als Betrugsfall aufgedeckt hatte, zeigte Wirkung und versetzte Anleger in Schrecken. Schließlich musste Grenke sich gleich durch drei Prüfgesellschaften gleichzeitig auf Herz und Nieren prüfen lassen, um den Anschuldigungen entgegenzuwirken. Das verursachte nicht nur beträchtliche Zusatzkosten sondern lenkte unweigerlich auch von der Geschäftstätigkeit in einer wirtschaftlich heiklen Phase ab. Es war somit der perfekte Sturm!
Kurz gesagt, hielt und halte ich die Anschuldigungen des Short-Sellers mehrheitlich für unsinnig und teilweise für fahrlässig oder fabriziert. Da die gebündelten Herausforderungen Grenkes Aktienkurs in kürzester Zeit weit unter dessen mittel- und langfristigem Wert fallen ließen, nutzte ich die günstige Gelegenheit, unsere Investition in Grenke signifikant zu erhöhen. Folgend die ausführliche Version für die, die mehr erfahren möchten.
Krisen gehören zum Investieren immer dazu. Sie lassen sich nur selten vorhersagen, doch man kann sich sehr wohl auf sie vorbereiten. Ich investiere für uns in Firmen wie Grenke, mitunter auch weil sie auf Krisen gut vorbereitet sind und davon profitieren. Grenkes Geschäftsmodell ist hochprofitabel, weil Grenke dank Automation und Skalenvorteilen Leasingverträge anbieten kann, die für die Konkurrenz unprofitabel sind, und weil Grenke die Ausfallwahrscheinlichkeit ihrer Forderungen zuverlässig voraussagen kann. Zwischenzeitlich höhere Ausfallraten verkraftet Grenke zum einen dank der hohen Profitabilität und zum anderen dadurch gut, dass die Firma in schwierigen Zeiten selektiver sein kann. Darüber hinaus ist Grenke sehr solide finanziert und geographisch wie kundenseitig breit diversifiziert. Dies ist zudem nicht die erste Krise, die Grenke meistert, und im Gegensatz zu anderen Krisen, sicherten Regierungen diesmal von Anfang an Unternehmenshilfen zu, die Grenke indirekt zugutekommen werden.
Doch was ist mit den Anschuldigungen?
Bevor ich auf diese eingehe, ist es wichtig zu verstehen, was Short-Seller tun. Short-Seller setzen auf fallende Kurse und leihen sich Wertpapiere, die sie zum aktuellen Marktpreis verkaufen, in der Hoffnung, sie später zu tieferen Preisen zurückzukaufen. Ich konnte bislang nie verstehen, warum intelligente, erfahrene und ehrliche Anleger Short-Selling betreiben, da hierbei im Gegensatz zum gewöhnlichen Anlegen das Gewinnpotential begrenzt (ein Wertpapier kann in der Regel nicht weniger als Null Wert sein) und das Verlustpotential unbegrenzt ist.
Dank dieser Short-Seller weiß ich nun, dass es kaum Short-Seller gibt, die intelligent, erfahren und ehrlich sind. Ich denke zwar, dass Short-Selling helfen kann, Manager ehrlich und Kapitalmärkte effizient zu halten, doch in der Praxis wird Short-Selling auch missbraucht, um mit der Ausbreitung von Panik kurzfristige Gewinne zu sichern, unabhängig davon, ob die Anschuldigungen gerechtfertigt sind oder nicht. Hier gibt es aktuell eine signifikante, schädliche Grauzone, die Regulatoren zum Schutz von Unternehmen und Anleger beseitigen sollten. Nun aber zu den Vorwürfen:
Der Short-Seller machte folgende Vorwürfe und verfasste eine 64-seitige Analyse seiner Anschuldigungen:
Grenkes Gewinne, Bilanzwerte (Forderungen) sowie Barmittel sind gefälscht, weil die Produkte, die Grenke verleast (z.B Drucker und Kopierer) überflüssig geworden sind und es nicht sein kann, dass Grenke mit diesen Produkten so viel Wachstum generiert. Außerdem bilanziert Grenke pro Drucker oder Kopierer überteuerte Werte von durchschnittlich ca. 7500 Euro. Die Tatsache, dass Grenke sich ständig teures Fremd- und Eigenkapital beschafft, obwohl die Firma scheinbar überflüssiges Kapital hat, ist ein weiterer Beleg für die Täuschung.
Grenke vernachlässigt Governance-Themen sträflich und betrügt Investoren, indem sie seit mindestens einem Jahrzehnt unattraktive Franchise-Gesellschaften, die Grenke-Insidern gehören, überteuert kauft und somit Insider oder denen nahestehende Personen zu Lasten der Aktionäre bereichert.
Grenke ist Komplize in betrügerischen Geschäften, bei denen Händler Kunden mit überteuerten Leasingverträgen über den Tisch ziehen.
Grenke ist fahrlässig mit internen Kontrollen bei der Grenke Bank, da sie Kunden akzeptierten, die auf der Blacklist der BaFin standen und somit Beihilfe zur Geldwäsche leisteten.
Nach Studium der Analyse des Short-Sellers kam ich zum Schluss, dass dieser sich den Sachverhalt zurechtbiegt und anhand von möglichen Betrugsmustern entweder fahrlässig oder böswillig voreilige Schlüsse zieht. Anschließend antwortete Grenke auch mit Pressemeldungen und einer Investorenkonferenz, bei denen sie alle Vorwürfe als unbegründet zurückwiesen. Am 21. September 2020 teilte ich meine folgende Einschätzung mit den RICHTWERT Partnern/Kunden:
Zum 1. Vorwurf:
Grenke meldete, dass die Barmittel tatsächlich existieren und zu 80% bei der Deutschen Bundesbank hinterlegt sind.
Zudem war Grenke gemäß meiner Analyse schon immer umsichtig und hatte stets auf überdurchschnittlich hohes Eigenkapital bestanden, um geplanten Expansionen zu meistern und Krisen zu widerstehen. Dies stellte die Firma auch während der globalen Finanzkrise zwischen 2007-2009 unter Beweis. 2019 nahm Grenke weiteres Eigenkapital auf, um die geplante Expansion in die USA vorzubereiten. Weiterhin schuf die Grenke Bank Anfang 2020 Anreize für Privatkunden, um sich liquide Mittel in Form von Bankeinlagen zu sichern und so für die Corona-Krise gewappnet zu sein.
Sowohl die Eigenkapital- als auch die Fremdkapitalbeschaffungen fanden stets zu attraktiven Konditionen aus Sicht der bestehenden Investoren statt und erweckten einen durchdachten Eindruck. Soweit ich sah, konnte weder von teuren Krediten noch von einer nachteiligen Verwässerung von Aktionären die Rede sein. Grenkes Kapitalbeschaffung machte im Kontext des Leasinggeschäfts und bei den Expansionszielen stets Sinn und war vorteilhaft.
Was Drucker und Kopierer anbelangt, vermischte der Short-Seller entweder fahrlässig oder böswillig Fakten aus 2010 und 2019 miteinander, um seinen Punkt zu untermauern. Zudem übersah er, dass ein Leasingvertrag oft mehrere Drucker beinhalten kann. Der Anteil an Leasingverträgen mit Druckern nahm in dieser Zeit von 31% auf 18% ab und das absolute Wachstum ist meiner Meinung nach auf die regionale Expansion und Marktanteilsgewinne von Grenke zurückzuführen.
Zum 2. Vorwurf:
Grenke ermutigte ehemalige Grenke-Manager, Franchisefirmen im Ausland zu gründen, mit dem Ziel, diese in 4-6 Jahren zu vorab definierten Bewertungskriterien zu übernehmen, sofern sie sich als vielversprechend auswiesen. In den letzten 12 Jahren zahlte Grenke ca. 100 Mio. Euro für solche Franchisefirmen. Diese erwirtschaften heute ca. 20% des Neugeschäfts der Grenke AG und erzielen gesamthaft einen jährlichen Deckungsbeitrag, der der gesamten Kaufsumme entspricht. Hier von überteuerten Käufen zu sprechen, braucht schon einiges an Unerfahrenheit, oder Phantasie bzw. Dreistheit.
Korrekt ist wohl, dass Firmengründer Wolfgang Grenke, seine Familie und ihm nahestehende Personen, durch Käufe dieser Franchisefirmen seitens Grenke, bevorteilt hätten werden können, doch wie als nächstes geschildert, denke ich trotzdem nicht, dass hier ein Betrug vorlag. Ein möglicher Interessenkonflikt ist nämlich noch kein Beweis für Betrug.
In den letzten 10 Jahren erzielte Grenke Gewinne von ca. 800 Mio. Euro. Per Ende 2019 hatte Grenke eine Marktkapitalisierung von fast 5 Milliarden Euro. Mehr als 40% der Grenke AG gehört der Familie des Gründers und langjährigen Geschäftsführers Wolfgang Grenke. Es macht wenig Sinn, sich bei einer Kaufsumme von ca. 100 Mio. Euro über 10 Jahre an der Firma zu bereichern, an der man selbst 40% Anteile im Wert von fast 2 Milliarden Euro besitzt. Das würde nur Sinn machen, wenn die Firma tatsächlich ein Betrug wäre und in Wirklichkeit nicht annähernd so viel Wert wäre. Dann würde man aber eher die eigenen Aktien überteuert verkaufen und nicht langfristig an den eigenen Anteilen festhalten, wie es die Familie Grenke tut.
Schließlich hatte ich einmal die Gelegenheit, Herrn Grenke persönlich kennenzulernen und ihm Fragen zu stellen. Er machte auf mich einen sehr freundlichen und bodenständigen Eindruck, sprach leidenschaftlich über die von ihm gegründete und seit Jahrzehnten geführten Firma und war bestens mit dessen Erfolgsfaktoren vertraut.
Zum 3. Vorwurf:
Ich bin der Meinung, dass sich schwarze Schafe in einem Partner-/Händlernetzwerk nie gänzlich vermeiden lassen. Das gilt umso mehr je mehr Produkte involviert sind und je mehr Partner betreut werden. Die Geschäfte mit dubiosen Händlern unter Grenkes Partnerhändlern machten deutlich weniger als 1% des gesamten Leasingvolumens aus. Grenke hat diese vom Händlernetzwerk ausgeschlossen sowie Prozesse eingeführt, um solche früher zu erkennen. Selbst wenn jemand bei Grenke mit beiden Augen bewusst weggeschaut haben sollte, kann man bei dieser Größenordnung sicher nicht von einem systematischen Betrug ausgehen.
Zum 4. Vorwurf:
Auch im Punkto Geldwäsche widersprach Grenke. Der Short-Seller nannte drei Bankkunden, die auf der BaFin Blacklist standen. Zwei von diesen hatte Grenke nicht als Kunde angenommen und bei einem Kunden wurden verdächtige Transaktionen festgestellt, die zu einer Terminierung des Kunden führten, bevor der Kunde auf der BaFin Blacklist stand.
Inzwischen haben die drei Prüfgesellschaften Grenke Zwischenberichte ihrer Analysen vorgelegt, die zusammengenommen erstens die Barmittel sowie die Werthaltigkeit der Forderungen nachweisen, zweitens die Vorteilhaftigkeit der Franchisefirmenkäufe gesamthaft bestätigen, drittens keinen systematischen Betrug seitens Grenke in Bezug auf überteuerte Leasingverträge feststellen und viertens keine Beihilfe zur Geldwäsche ausmachen können.
Neben diesen entlastenden Ergebnissen gab es auch Beanstandungen formeller Natur, die aus meiner Sicht keineswegs überraschend, sondern selbstverständlich sind, wenn drei Prüfgesellschaften unter Druck der Presse, der Politik und der Öffentlichkeit die Historie einer Firma akribisch auseinander nehmen. Grenke hat unterdessen bereits signifikante Schritte eingeleitet, um diese Beanstandungen zu beseitigen und künftig noch besser aufgestellt zu sein.
Schließlich überrascht es mich nicht, dass Grenke trotz dieser enormen und gleichzeitigen Belastungen das Jahr profitabel absolvierte. Doch es kommt noch besser, denn die Prüfgesellschaft fand sogar, dass Grenke zu konservativ bilanziert hatte, sodass der Gewinn letztendlich 10% höher ausfiel, als Grenke ausgewiesen hatte. Das ist mal eine Korrektur nach meinem Geschmack!
Beim Investieren gibt es nie hundertprozentige Sicherheiten. Jede noch so gründliche Analyse kann sich als falsch herausstellen und Betrüger finden erstaunliche Wege, einen hinter das Licht zu führen. Meine Analyse von Grenke kann sich nach wie vor als falsch herausstellen. Dennoch erstaunt es mich immer wieder, wie wenig Anleger sich mit Firmen auseinandersetzen, in die sie investieren. Im Falle von Grenke reichte die Anschuldigung eines einzigen, zugegebenermaßen bekannten, Short-Sellers, um die mehr als 40-jährige Erfolgsgeschichte von Grenke in Frage zu stellen und den Aktienkurs abstürzen zu lassen. Dabei ist die Historie des Short-Sellers nicht nur wesentlich kürzer als die von Grenke, der Short-Seller lag sogar mehrmals mit seinen Anschuldigungen daneben. Wer sich mit Grenke auseinandergesetzt und sich die Mühe gemacht hätte, die Analyse des Short-Sellers zu studieren, hätte festgestellt, dass diese Grenkes Geschäftsmodell überhaupt nicht berücksichtigt und zudem fahrlässige oder evtl. beabsichtigte Analysefehler beinhaltet.
Da ich selbst als RICHTWERT Kunde/Partner mit meinem gesamten liquiden Kapital so investiert bin wie Sie, weiß ich nur zu gut, dass es alles andere als einfach ist, gelassen und objektiv zu bleiben, wenn die Schlagzeilen "Feuer" rufen und in kürzester Zeit hohe Kursverluste verursachen. Das Ganze ist noch viel schwieriger, weil Sie die Portfoliounternehmen normalerweise weniger gut kennen. Entsprechend hoch rechne ich Ihnen das Vertrauen an, das Sie in mich setzen. Das ist alles andere als selbstverständlich und spornt mich noch mehr an, Ihr Vertrauen auch zu verdienen. So hoffe ich, dass ich hiermit etwas Perspektive in diese von Schlagzeilen überhäufte Situation von Grenke bringen konnte.
Discovery - Eine übersehene Perle in der Medienindustrie
Kann ich die Discovery verstehen?
Discovery ist eine führende, globale Medienfirma mit Fokus auf Inhalten aus dem Alltag sowie auf Hobbies und Dokumentationen. Als ich entscheid für uns in Discovery zu investieren, bot sie ihre Inhalte hauptsächlich mittels traditionellen werbefinanzierten TV und Pay-TV Kanälen an ein geographisch und demographisch breit gestreutes Zielpublikum an. Das Geschäftsmodell der Firma basiert zum einen auf Gebühren, die Netzbetreiber für die Ausstrahlung ihrer Inhalte zahlen und zum anderen auf Werbeeinnahmen. Die Firma hat zahlreiche lokale wie globale Konkurrenten, die je nach Region mit unterschiedlichen Inhalten und Übertragungsmedien um die Gunst der Zuschauer konkurrieren.
Hat Discovery eine attraktive mittel- und langfristige Zukunft?
Ich halte die Unterhaltungsindustrie für attraktiv, da wir alle neben Familie, Beruf und Hobbies Unterhaltung suchen und dafür direkt oder indirekt via Werbung zahlen. Die Branche profitiert von Skalenvorteilen, da erstellte Inhalte mit Anpassungen global, wiederholt und effizient ausgestrahlt werden können. In einer Welt, in der die Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen geringer ist als deren Angebot, suchen Hersteller und Anbieter immer mehr nach der Aufmerksamkeit ihrer Zielgruppen, und sind bereit, für gezielte Werbung viel zu investieren.
Discovery erstellt kundensegmentspezifische Programme, die große Beliebtheit genießen und somit einen loyalen Kundenstamm besitzen. Hierfür besitzt sie nicht nur die globalen Rechte, sondern auch die Inhalte in vielen Sprache. Darüber hinaus profitiert sie davon, dass ihre Inhalte selten teure Schauspieler, Lizenzrechte oder Blockbuster erfordern, sondern sich an unser tägliches Leben sowie Interessen und Hobbies orientieren. Dadurch differenziert sich Discovery einerseits inhaltlich und andererseits in Bezug auf Herstellungskosten und -fristen von der Konkurrenz. Relativ zum Marktanteil, sind die erwähnten Inhalte für Distributoren und Werbende günstig und bieten daher Discovery eine attraktive Preisdurchsetzungsmacht.
Discovery machte bereits erste wertvolle Erfahrungen mit der Verbreitung ihrer Inhalte über Apps und hat das Potential, ihre beliebten Inhalte entweder via Partner oder über einen eigenen Streaming-Dienst an ihr Zielpublikum zu bringen. Das Streaming von Inhalten erfordert zwar beträchtliche Investitionen, bietet jedoch auch große Vorteile. Discovery verfügt beispielsweise über eine sehr große Bibliothek an Inhalten, die bisher nicht effektiv ausgestrahlt oder konsumiert werden konnten. Außerdem limitiert die niedrige Pay-TV Penetration in vielen Ländern ihren adressierbaren Markt. Ferner behindern traditionelle Medien sowie der indirekte Kundenzugang via Partner direkte Kundenfeedbacks, die sowohl für die Auswahl der Inhalte als auch für die Ausstrahlung von Werbung essentiell sind.
Ist Discoverys Management vertrauenswürdig, kompetent und motiviert?
Discovery hat zwei dominierende und langfristig-orientierte Kontrolleigentümer und ein sehr erfahrenes und etabliertes Management Team, das in den Schlüsselpositionen bereits seit 10-14 Jahren zusammenarbeitet. Ihre langfristige Erfolgshistorie in Bezug auf Generierung von Inhalten, Erwerb von Lizenzen, inhaltliche sowie geographische Expansion, Unternehmensprofitabilität und Kapitalallokation hinsichtlich Akquisitionen und Aktienrückkäufe ist beeindruckend.
Sie pflegen eine offene und detaillierte Kommunikation mit Aktionären und verfügen über eine Historie, in der sie Herausforderungen, Opportunitäten und Wettbewerbsvorteile sowie Ziele klar und transparent kommunizierten und die Ziele auch wie geplant erreichten.
Können wir zu einem attraktiven Preis Teilhaber von Discovery werden?
Die Tatsache, dass wir bereits zum dritten Mal in Discovery investieren, wird Sie vielleicht verwundern, aber Ihnen gleichzeitig auch erklären, warum ich bei manchen unserer Portfoliofirmen Diskretion walten lasse.
Bei unserer ersten Investition dachten Anleger, dass Discovery in der traditionellen TV-Welt auf dem absteigenden Ast sei und zudem falsche strategische Entscheidungen trifft. Ich war gänzlich anderer Meinung und sah eine Chance, Anteile an einem attraktiven Business mit Wettbewerbsvorteilen und kontinuierlichem Gewinnwachstum sehr günstig zu erwerben. Da sich der Aktienkurs damals rasch erholte und wir andere Gelegenheiten hatten, verkaufte ich unsere Anteile zunächst.
Nach ca. einem Jahr demonstrierte Discovery, dass ihre strategischen Entscheidungen noch besser waren, als sie oder ich dachten. Zudem war Discovery entschlossen, über Partner oder aus eigener Kraft in Streaming einzusteigen. Da ich die Wettbewerbsvorteile schätzte, hielt ich selbst den gestiegenen Aktienpreis für attraktiv und investierte zum zweiten Mal. Was ich nicht ahnte, war, dass wir kurz vor einer Pandemie standen, die große Teile der Welt zum Erliegen bringen würde.
Als sich das Coronavirus anschließend ausweitete, nutzte Discovery ihre Wettbewerbsvorteile konsequent, um Marktanteile zu gewinnen und sogleich die Streaming-Strategie voranzutreiben, doch der Aktienkurs fiel trotzdem stark. Die Zeit war reif, wie ein wahrer Eigentümer unternehmerisch und opportunistisch zu handeln. Ermutigt stockte ich so bei immer tieferen Preisen auf. Interessant war auch die Dauer, in der die Aktie auf solch einem tiefen Preisniveau verharrte, während sich der Rest der Aktien stark vom Pandemie-Schrecken erholte. Dabei machte Discovery aus meiner Sicht alles richtig! Wie so oft, verstand ich nicht, was die Anleger dachten, ließ mich aber nicht beirren.
Als dann die Aktie zum Höhenflug ansetze, blieb ich geduldig, weil ich die Firma für signifikant unterbewertet hielt. Nach einer Verdopplung bzw. Verdreifachung des Aktienpreises begann ich mit schrittweisen Veräußerungen unserer Investition, weil wir attraktivere Gelegenheiten hatten.
Unterdessen brach der Aktienkurs plötzlich innerhalb weniger Tage um mehr als 50% ein. Manche sagen, was steigt muss auch fallen, doch hinter Aktien stehen reale Unternehmen. Daher nutzte ich die nun dritte Gelegenheit, um unsere Investition zu erneut attraktiven Preisen aufzustocken. Später stellte sich heraus, dass ein Hedge Fund mit viel geliehenem Kapital auf einige Firmen inklusive Discovery gewettet hatte und aufgrund von Verlusten bei einer anderen Aktie, seinen Verpflichtungen nicht nachkommen konnte. Die Geldgeber waren daher gezwungen, dessen Aktien mit Eile zu liquidieren. Obwohl ich dies zum Zeitpunkt unserer Zukäufe nicht wusste, war ich doch froh, ihnen im Falle von Discovery dabei geholfen zu haben!
Kürzlich gab Discovery bekannt, sich mit Time Warner zusammenschließen zu wollen, um ihre Strategie mit vereinten Kräften besser voranzutreiben. Ich halte Discovery alleinstehend für differenzierter und attraktiver, doch unter Beachtung der bisherigen Managementleistungen bin ich gerne bereit, ihnen eine Chance zu geben und mich eines Besseren belehren zu lassen.
Dieses Beispiel zeigt, wie wichtig es ist, zwischen Firmen und deren Aktien zu unterscheiden. In der Zeit, in der Discoverys Aktien mehrere steile Berg- und Talfahrten machten, schritt die Firma stetig und diszipliniert voran in eine bessere Zukunft. Ich bin froh, dass wir als langfristige Investoren am Erfolg unserer Unternehmen partizipieren und dass wir zusätzlich die Übertreibungen in beide Richtungen potentiell wie bei Discovery zu unserem Vorteil nutzen können.
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Wie in unserem Partnerhandbuch beschrieben, bin ich überzeugt, dass wir nicht unethisch sein müssen, um attraktive Renditen mit unserem Kapital zu erzielen. Daher meide ich auch attraktive Investitionen, wenn sie ethischen Standards nicht entsprechen. Ein ethischer und betriebswirtschaftlicher Grundsatz bei allen unseren Investitionen ist, dass unsere Firmen unter dem Strich die Gesellschaft begünstigen müssen.
Die konventionelle Meinung hinsichtlich mancher unserer Firmen ist, dass sie der Gesellschaft nicht nützen. Aber ich interessiere mich nicht für konventionelle Meinungen, weil sie oft schlichtweg falsch sind. Wenn ich aber selbst zu einer negativen Einschätzung komme, wie es z.B. bei Credit Acceptance der Fall war, dann handle ich entsprechend.
Credit Acceptance
Credit Acceptance finanziert in den USA Gebrauchtwagen für Personen, die nicht als kreditwürdig gelten und sonst keine Kredite erhalten. Hierzu nimmt die Firma Autohändler mit in die Pflicht, indem sie diese am Kreditrisiko beteiligt. Hierfür hält sie einen Teil der Kaufsumme zurück (“Holdback”) und zahlt diese erst an Händler aus, wenn Kunden ihre Kredite getilgt haben.
Ich hielt das Geschäftsmodell für vorteilhaft für alle Beteiligten: In den USA sind öffentliche Verkehrsmittel keine Option außerhalb von großen Innenstädten und die Bevölkerung ist auf Privatfahrzeuge angewiesen.
Personen, die auf ein Auto angewiesen sind, aber sonst kein Kredit erhalten, können sich dank Kredit von Credit Acceptance eher ein Auto leisten und haben die Chance, ihre Kreditwürdigkeit zu verbessern, indem sie ihren Verpflichtungen nachkommen.
Autohändler können ihre Gebrauchtfahrzeuge durch einen Kredit, den nur Credit Acceptance ermöglicht, eher verkaufen und da sie am Kreditrisiko beteiligt sind, sind sie eher motiviert ein Fahrzeug zu verkaufen, das erstens funktioniert und Kunden zur Arbeit bringt und das zweitens sich die Käufer eher leisten kann.
Credit Acceptance vergibt profitable Kredite an Personen, die von anderen Kreditgebern nicht profitabel bedient werden können.
Die Firma wurde oft beschuldigt, Schaden anzurichten, doch ich hielt diese Anschuldigungen für unbegründet, da es bei so einem Geschäftsmodell selbstverständlich ist, dass zahlreiche Kunden unzufrieden sind. Wer verliert schon gerne sein Auto, selbst wenn dies eigenverschuldet sein sollte? Die Unzufriedenheit steigt selbstverständlich in wirtschaftlich schwierigen Zeiten wie in 2020. In meinen Augen gab die Firma Kreditnehmern eine zweite Chance, wobei sie aufgrund der viel riskanteren Kredite deutlich höhere Zinsen verlangen musste.
Nach Studium einer Anklage änderte ich meine Meinung und veräußerte unsere Investition. Ich verstehe nun, dass die Firma allen eine zweite Chance gibt, auch wenn sie weiß, dass diese einigen mehrheitlich schadet. Zum einen verdient Credit Acceptance so gut an den Krediten, dass die Vorteile von mehr Krediten die Nachteile von selektiveren Krediten übersteigen.
Die einzige Partei also, die einen Anreiz hat, ein vorteilhaftes Angebot für alle Beteiligte zu unterbreiten, ist der Händler wegen der Aussicht auf das Holdback. Doch die Händler erhöhen die Fahrzeugpreise, um das Ausfallrisiko des Holdbacks zu kompensieren. Es scheint somit, dass der oberflächlich sehr gute Anreiz, den Autohändler mit in die Pflicht zu nehmen, in Wirklichkeit oft ein Fehlanreiz ist, der gerade die finanzschwächsten Personen benachteiligt. Ich gehe davon aus, dass diese Tatsache Credit Acceptance nicht entgangen ist.
Obendrein überzeugen bzw. überlisten zu viele Autohändler die Käufer, einen teuren, optionalen Servicevertrag anzunehmen, an dem sie und Credit Acceptance reichlich verdienen, während Credit Acceptance die sehr hohe Annahmerate von optionalen Serviceverträgen bei den meisten Händlern gerne toleriert. Rechtlich ist das wahrscheinlich eine Grauzone, doch bei den hohen Preisen und der Ausgangssituation mancher Kunden kommt dies einer Ausbeute gleich.
Meine Schlussfolgerung ist, dass Credit Acceptance sogar ein viel besseres Geschäftsmodell hat, als ich zunächst dachte. Doch die Art und Weise, wie die Firma operiert, richtet für einen beträchtlichen Teil der Kunden mehr Schaden an als sie Wert generiert. Die Firma kann gut vorhersagen, wer mit hoher Wahrscheinlichkeit in Probleme geraten wird und könnte zumindest bei den finanzschwächsten Kunden Kredite ablehnen, wenn diese in Kombination mit hohen Händleraufschlägen und hohen Akzeptanzraten von teuren Serviceverträgen einhergehen. Sie könnten sogar diesen Kunden entgegenkommen und trotzdem profitabel sein. Doch die Tatsache, dass die Mehrheit der Kreditnehmer mit der niedrigsten Kreditwürdigkeit in einer noch schlechteren Situation enden, passt nicht zum Selbstbild eines zweckorientierten Unternehmens. Die Analogie, die ich mache, ist die eines Chirurgen, der auch Operationen aus Eigeninteresse durchführt, obwohl er weiß, dass diese einigen Patienten mehr schaden als helfen.
Treu dem Motto von Richard Feynman: “The first principle is that you must not fool yourself — and you are the easiest person to fool.”, glaube ich, dass das Management von Credit Acceptance sich selbst einredet, das Richtige tun, indem sie allen eine zweite Chance gibt. Die traurige Wahrheit ist, dass eine zweite Chance nicht im Interesse vieler Credit Acceptance Kunden ist.
Übrige Portfolioentscheidungen
Ich hätte mehr Zeit mit der Familie und am Zürichsee verbringen sollen
Den letztjährigen Co-Investorbrief begann ich mit dem Motto: “Um außergewöhnlich erfolgreich zu investieren, muss man die Bescheidenheit haben, zu wissen, dass man sich irren kann, die Vision haben, die Chancen dennoch zu erkennen, den Mut haben, darin mit Überzeugung zu investieren, und die Geduld haben, sie zu halten.” Das war auch gut so, denn hätte ich diese Gedanken nicht zu Papier gebracht, hätte ich manche unserer Investitionen viel zu früh veräußert. Mit dem Vorteil des Rückblicks hätte ich das Ende aber präziser schreiben sollen: “... und die Geduld haben, großartige Firmen zu halten, selbst wenn sie zwischenzeitlich stolpern oder teuer erscheinen, und man meint, bessere Anlageopportunitäten gefunden zu haben.”
So hätte ich uns einen großen Gefallen getan, wenn ich mich letztes Jahr ausschließlich meiner Familie und dem Zürichsee gewidmet hätte, denn meine Umschichtungen von Alphabet, Amazon, Apple und Tesla in Grenke, Alibaba und zwei weitere Firmen, die ich heute noch nicht nennen möchte, kosteten uns letztes Jahr einiges. Wie Sie der folgenden Tabelle entnehmen können, erzielten die veräußerten Firmen 2020 eine sehr starke Business Performance und eine noch viel bessere Aktienperformance. Ich wartete zwar mit Umschichtungen bis ich mir ziemlich sicher war, dass wir erstens einen fairen Preis für unsere Firmen erhalten und zweitens bessere Alternativen haben, doch selbst nach meinen Verkäufen performten diese Aktien hervorragend.

Aus dem Verkauf von Amazon habe ich etwas gelernt. Ich verkaufte Amazon, weil die Firma in meinen Augen ihren sehr großen Wettbewerbsvorteil der Kundenreviews schleifen ließ und weil Amazons Börsenbewertung eine Größenordnung erreichte, bei der Alibaba meiner Ansicht nach nur halb so teuer war. Zudem fand ich, dass Alibabas Geschäftsmodell weiter war als das von Amazon. Was war an dem Tausch nicht zu mögen? Was ich offensichtlich übersah, war, dass auch Alibabas Konkurrenz in China weiter war als die Konkurrenz von Amazon. So konnte Amazon seit meiner Umschichtung deutlich schneller wachsen als Alibaba. Teilweise lag dies auch daran, dass Alibabas Gründer sich übermütig mit Chinas Regulierungsbehörde anlegte und die Firma so gebremst wurde. Regulatorische Maßnahmen waren früher oder später eh zu erwarten, seine Konfrontation ließen sie jedoch früher eintreffen.
Zu meiner Verteidigung halte ich dennoch fest, dass das, was geschieht, immer nur ein Szenario unter vielen möglichen ist. Beim Investieren ist der Rückspiegel immer viel klarer als die Windschutzscheibe:
Tesla war z.B. finanziell wackelig unterwegs als die Pandemie ausbrach und hätte nicht zum ersten Mal stark unter Druck kommen können. Ungeachtet dessen beinhaltet Teslas Börsenbewertung seit einem Jahr sehr viel Euphorie und Phantasie. Sogar Elon Musk, Firmengründer und Mastermind von Tesla, schrieb kurz nachdem ich Tesla für uns verkauft hatte, dass Tesla überbewertet sei und wiederholte seine Aussage regelmäßig, ohne Gehör zu finden. Soweit ich es beeinflussen kann, will ich nie, dass wir bei unseren Investitionen vom (spekulativen) Wohlwollen der Marktteilnehmer abhängig sind.
Apples Bewertung an der Börse war bereits deutlich gestiegen und trübte zusammen mit Apples enormer Größe die zukünftig zu erwartenden Renditen. Doch die sehr starke Business Performance von Apple überraschte sogar mich, obwohl ich seit langem von Apples Wettbewerbsvorteilen überzeugt bin.
Entscheidend ist auch zwischen dem kurzfristigen Geschehen und der mittel- und langfristigen Entwicklung zu unterscheiden. Anlegen ist kein Sprint sondern ein Marathon:
Nur weil die Entscheidungen im letzten Jahr nachteilig waren, bedeutet das nicht unbedingt, dass sie falsch waren.
An Unternehmen festzuhalten, die man für überbewertet hält, ist Spekulation und daher falsch.
Darüber hinaus halte ich sehr viel von unseren aktuellen Investitionen. Sie brauchen sich nicht hinter den verkauften Firmen verstecken und ich halte sie zudem preislich für attraktiver.
Hervorheben möchte ich auch, dass einige unsere Positionen kurzfristig wahrscheinlich nicht so gut performen können, wie denen nahestehende Alternativen, die mir bekannt sind. Ich entscheide mich trotzdem bewusst für diese kurzfristig benachteiligten Wertpapiere, weil ich davon ausgehe, dass diese Nachteile mittel- und langfristig beseitigt werden und uns dadurch eine noch bessere Performance bei geringerem Risiko in Aussicht steht.
So freue ich mich darauf, Ihnen in den kommenden Jahren über ihre Entwicklung zu berichten. Grenke hat diesbezüglich bereits den Anfang gemacht.
Wo wir stehen
Seit der globalen Finanzkrise vor 13 Jahren halten Zentralbanken und Anleger die Zinsen sehr tief und erlauben damit Staaten und Firmen, sich signifikant zu verschulden, wodurch sie die Wirtschaft zusätzlich anzukurbeln. Viele Staaten und Betriebe gaben sehr viel Geld aus, das sie noch nicht einnahmen.
Aufgrund dieser Verzerrungen setzten wir Ressourcen ineffizient ein. Es blieben z.B. viele nicht wettbewerbsfähige Firmen bestehen, die Finanz- und Humankapital binden und uns zurückhalten. Zudem vergaben wir Spielraum für unvorsehbare Zeiten wie die aktuelle Pandemie. Jetzt, wo die Pandemie da ist, haben wir keine andere Wahl, als die Zinsen weiter sehr tief zu halten und uns weiter massiv zu verschulden.
Es gab Zeiten, in denen man fürchten musste, sich zu sehr der Klippe zu nähern. Doch Regierungen und Zentralbanken haben nahezu alle gerettet. Da wir unser Trockenpulver mehrheitlich verschossen und der Masse die erforderliche Eigenverantwortung und Vorsicht genommen haben, sollten wir uns nicht wundern, wenn eine zukünftige Krise umso verheerender wird.
Umsichtige Führung sieht anders aus! Im Gegensatz zur stark einseitig geprägten Kritik gegenüber China, sollten wir uns im Westen mehr als nur eine Scheibe von ihrer vorausschauenden Führung abschneiden. Sie erkennen Risiken eher frühzeitig und greifen proaktiv zum Wohle der Mehrheit ein. Dabei gibt es im Westen reichlich Exzesse, die Aufmerksamkeit und Eingreifen erfordern:
Exzesse
Langfristige Staatsanleihen mit einer Laufzeit von 10-30 Jahren haben so tiefe Renditen, dass sie entweder vor oder nach Inflation nur Verluste generieren können.
Viele Staaten und Firmen haben Schuldenberge angehäuft, die nur bei tiefen Zinsen bedient werden können.
Nach Jahrzehnten sinkender Zinsen und Jahren sinkender Steuern in einigen Ländern könnten Zinsen aufgrund steigender Inflation und Steuern aufgrund signifikant höherer Staatsverschuldung steigen.
Anleger haben sich vermehrt von sicheren, kurzfristigen Staatsanleihen bei niedriger Inflation zu riskanten, längerfristigen Anleihen bei womöglich höherer Inflation, von attraktiv bewerteten Immobilien und Aktien zu teuren Immobilien und Aktien, und von produktiven Anlagen wie Immobilien und Aktien zu Spekulation mit Gold und Kryptowährungen gewandt.
Der Preis der als Parodie kreierten Kryptowährung “Dogecoin” hat sich in den letzten 12 Monaten beinahe verdreihundertfacht (3)- so viel zur Rechtfertigung von Kryptowährungen aufgrund von Inflation...
Die Regierungen westlicher Länder und deren Zentralbanken wissen, dass sie nicht-staatliche Kryptowährungen nicht als akzeptierte Zahlungsmittel zulassen können, zögern jedoch damit, dies den Marktteilnehmern mitzuteilen und riskieren so, dass viele Marktteilnehmer potentiell sehr viel Geld verlieren.
Ich kann Ihnen diese Videos zu Kryptowährungen nur wärmstens empfehlen (4),(5). Sie sind zumindest ehrlich, amüsant und meiner Meinung nach auch aufschlussreich (mehr dazu auch im Abschnitt “Investieren vs. Spekulieren”).
Es gibt heute sogar unabhängige Bitcoin-Berater, die Bitcoin-Automaten mit 12% Gebühren anpreisen (6).
Zahlreiche IPOs stiegen am ersten Handelstag um mehr als 50% über den Preis, den informierte Insider-Verkäufer wie die Firmengründer offensichtlich für angemessen hielten.
SPACs, leere Firmenhüllen (auch “Blanko-Checks” genannt) welche manchmal dank der Bekanntheit von Celebrities versprechen, private Firmen innerhalb von ca. zwei Jahren aufzukaufen und sie so mit geringer regulatorischer Aufsicht an die Börse zu bringen, sammelten mehr als 40 Mrd. US-Dollar innerhalb der ersten 6 Wochen von 2021 ein (7). In diesem Zusammenhang muss ich an die Celebrities denken, die WeWork, eine Firma, welche u.A. Berufstätigen wieder einen Lebensstil in Wohngemeinschaften schmackhaft machen wollte, anhimmelten. Ich finde es auch ironisch, dass WeWork nach fehlgeschlagenem IPO-Versuch nun selbst via einem SPAC an die Börse möchte (8).
Nicht nur das Coronavirus verbreitete sich exponentiell, sondern auch die Aktienpreise sogenannter “disruptiver Unternehmen”, die mit neuen Technologien oder Geschäftsmodellen gegen bestehende Firmen konkurrieren. So sind viele Anleger heute bereit, für die Umsätze solcher Firmen Preise zu zahlen, die ich selten und nur nach reichlicher Analyse für ihre Gewinne zahlen würde. Dabei übersehen heutige Anleger, dass die aktuell unter Druck stehenden Firmen auch mal als Disruptoren galten.
Dank neuer Apps können selbst Anfänger in wenigen Sekunden mit Bruchteilen von Aktien oder Kryptowährungen spekulieren (9). Ich kann Ineffizienzen nicht ausstehen, doch es braucht keinen Titel in Finanzmarkttheorie, um zu erahnen, dass zu große Einfachheit beim Anlegen auch sehr gefährlich sein kann. Die Tatsache, dass viele unerfahrene Anleger aufgrund der Pandemie weniger mit sonst üblichen Aktivitäten beschäftigt sind und vielleicht etwas mehr Geld übrig haben, gepaart mit Kapitalmärkten, die seit 12 Jahren steigen, sorgt für zusätzliche Risiken sorgen.
So wundert es mich nicht, dass Personen in meinem Bekanntenkreis, die bis dato Aktien nicht mit einem meterlangen Stock anfassen mochten, plötzlich auf einzelne Aktien oder den Aktienmarkt setzen und “es einfach mal ausprobieren” wollen.
Das Risikoverhalten spiegelt sich auch bereits im Sprachgebrauch wider. Zu viele Anleger sprechen heute von “Wetten”. Ich erinnere mich noch sehr gut an 2009 und 2010 nach der globalen Finanzkrise als ich (erfolglos) Investoren für Aktien begeistern wollte, weil Aktienpreise sehr günstig waren. Ich kann Ihnen versichern: damals sprach niemand von “Wetten”.
Die heute so mutigen, jungen Marktteilnehmer behaupten z.B., dass sie Kursverluste nutzen würden, um aufzustocken, doch nur wenn die Marktkorrektur weniger als 10% beträgt (10).
Erschreckend finde ich auch, dass einige sogenannte Quant-”Investoren”, darunter sogar ausgebildete Finanzanalysten, stolz kundtun, dass sie weder die Namen noch die Tätigkeiten der Firmen kennen, in die sie für ihre Kunden investieren.
Spätestens nach Auflistung dieser Risiken fragen Sie sich bestimmt, wie wir bei RICHTWERT trotzdem voll investiert sein können. Die Antwort lautet, dass es gleichzeitig auch viele Chancen gibt. Wir stehen noch am Anfang der technologischen Revolution und der Globalisierung und die Welt ist noch so unglaublich ineffizient. Dazu kommt, dass viele nicht investieren, sondern mit heißen Trends spekulieren und dadurch attraktive Unternehmen unterschätzen, die ich sehr schätze.
Investieren vs. Spekulieren
"Es gibt zwei Zeiten im Leben eines Mannes, in denen er nicht spekulieren sollte: wenn er es sich nicht leisten kann und wenn er es kann." - Mark Twain
Viele denken, dass es an den Börsen keinen Unterschied zwischen Investieren und Spekulieren gibt. Noch mehr wissen nicht, wann sie investieren und wann sie spekulieren. Dabei ist die Unterscheidung essenziell.
Angelehnt an dem, was Benjamin Graham vor ca. 90 Jahren schrieb, würde ich eine Investition so definieren: Eine Investition ist eine Aktivität, bei der man nach gründlicher Analyse mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, dass man das eingesetzte Kapital samt einem adäquaten Gewinn zurückerhalten wird. Dass man davon ausgehen kann, weiß man nur, wenn man die Erträge, die ein Assets produzieren wird, abschätzen und bewerten kann und wenn der Wert dieser Erträge eine ausreichende Sicherheitsmarge gegenüber dem Preis darstellt, den man für die Investition zahlt. Aktivitäten, die diese Anforderungen nicht erfüllen, sind Spekulationen.
Wenn Sie die genannten Exzesse nach dieser Definition untersuchen, werden Sie feststellen, dass fast alle Spekulation darstellen, da die jeweiligen Assets entweder gar keine Erträge produzieren (z.B. Gold und Kryptowährungen) oder die Erträge kaum abgeschätzt werden können (z.B. SPACs und IPOs) oder der Wert der Erträge keine ausreichende Sicherheitsmarge in Relation zum Preis darstellt (z.B. teure Anleihen, Immobilien und Aktien sowie SPACs und IPOs). Die Marktteilnehmer spekulieren hier, weil sie sich nur oder in erster Linie mit Preisen beschäftigen und auf Käufer hoffen, die noch höhere Preise zahlen, aber investieren, tun sie nicht!
Ein Beispiel gefällig?
Wie viel ist ein Bitcoin wert? $1, $10, $100, $1000, $1 Mio, $1 Milliarde, $1 Billion, … oder doch nichts?
Wie wir positioniert sind und was wir erwarten können
Bei RICHTWERT versuche ich stets, diese Maxime von Warren Buffett zu beherzigen: “Je weniger Vorsicht andere in ihren Angelegenheiten walten lassen, desto größer die Vorsicht, die wir in unseren eigenen Angelegenheiten walten lassen sollten.”
In erster Linie heißt das, dass ich uns von offensichtlichen Spekulationen wie die zuvor genannten Exzesse fernhalte. In zweiter Linie bedeutet das, dass ich mir zwar Top-Down Sorgen mache, jedoch stets Bottom-Up, sprich möglichst business-orientiert rational und diszipliniert, investiere.
Erfahrungsgemäß entstehen die größten Verluste nicht, wenn man etwas zu viel für hochwertige Assets zahlt, sondern dann, wenn man Assets niedriger Qualität zu Zeiten kauft, in denen die Wirtschaft boomt. Die außerordentlichen Maßnahmen von Regierungen und Zentralbanken wirken sich positiv auf die Wirtschaft aus, doch sie vernebeln Qualitätsunterschiede und lassen alles relativ attraktiv aussehen.
Wie können wir Spreu vom Weizen trennen und unsere Investitionen auf qualitative Assets limitieren? Je komplexer die Welt, desto wichtiger ist es, sich auf das Wesentliche zurückzubesinnen. Im Kern geht es beim Investieren darum, Kapital so zuverlässig und so produktiv wie nur möglich anzulegen. Und da wir in einer sich immer schneller wandelnden Welt leben, ist es umso wichtiger, dass ich mir Gedanken über das Endspiel für unsere Unternehmen mache. Die zentralen Fragen, die ich mir dabei stelle, sind:
Welche Produkte und Dienstleistungen brauchen wir heute wie auch in 5, 10 und 20 Jahren?
Wer wird anhaltende Wettbewerbsvorteile sowie die nötige Anpassungsfähigkeit besitzen, um als Gewinner hervorzugehen?
Welche Unternehmen haben heute und zukünftig ein Management, das nicht nur gewinnen, sondern auch im Interesse der Eigentümer handeln wird?
Können wir zu einem Preis Miteigentümer dieser Firmen werden, der uns im Falle eines Misserfolgs möglichst schützt und uns im Erfolgsfall reichlich belohnt?
Ich habe großen Respekt vor diesen Fragen und weiß, dass ich nur eine Chance habe, wenn ich langfristig denke, mich auf meine Kernkompetenzen begrenze und dabei, wie ein Unternehmer diszipliniert und opportunistisch vorgehe, wenn das Risiko-zu-Chancen-Verhältnis signifikant für uns spricht.
Normalerweise präsentieren Investment Manager an dieser Stelle Charts, die die Branchen- und Länderallokation ihres Portfolios zeigen. Ich bezweifle, dass das Ihnen etwas bringt, da Branchendefinitionen zu rudimentär sind und Firmen heutzutage oft zahlreiche regionale Märkte abdecken. Stattdessen charakterisiere ich unser Portfolio aktuell wie folgt:
Aktuell sind wir in 12 Firmen investiert, von denen fünf ca. 70% des Portfolios ausmachen.
Mindestens 45% unseres Portfolios bietet Finanzierungs-, Investment- und Zahlungsdienstleistungen an.
Das sind Services, die es seit Jahrhunderten gibt und die es wahrscheinlich auch in hundert Jahren noch geben wird.
Ebenso wichtig, glaube ich zu wissen, worauf es bei diesen Dienstleistungen weitgehend ankommt und wer hier wahrscheinlich anhaltende Wettbewerbsvorteile haben wird.
Darüber hinaus sind unsere Unternehmen in folgenden Bereichen entweder führend oder unter den führenden Anbietern:
Internet-Plattformen, Kommunikation, Augmented & Virtual Reality
Medien, Werbung, Unterhaltung & Spiele
IT-Infrastruktur & Cloud Services
(E-)Commerce
Erneuerbare Energie, Infrastruktur & Immobilien
Lebensmittel
Logistik
Bildung
Die Pandemie sorgte bei 70% unseres Portfolios für eine Beschleunigung des Nachfrageverhaltens, wovon unsere Firmen noch Jahre profitieren können.
Zum ersten Mal seit Gründung von RICHTWERT sind wir nicht länger mehrheitlich in amerikanische Firmen investiert. Das hat keinen Makrohintergrund, denn bis auf Credit Acceptance, habe ich unsere amerikanischen Firmen sehr ungerne verkauft bzw. herunter gewichtet. Ich habe lediglich attraktivere Investitionen in Europa und in Asien gefunden als zuvor.
Was fast alle unsere Businesses vereint, sind außergewöhnliche Finanzstärke; signifikante Wettbewerbsvorteile wie z.B. eine starke Unternehmenskultur, dominante Marken, solide Preisdurchsetzungsmacht/Schutz vor Inflation, signifikante Skaleneffekte, niedrige Kapitalintensität und tiefe marginale Kosten; erprobtes, energisches, langfristig orientiertes und aktionärsfreundliches Management mit breit abgestützten Nachwuchstalenten; sowie ihre Unterbewertung.
Dank dieser Stärken sind unsere Unternehmen nicht nur für Krisen gewappnet, sondern profitieren auch davon. So sind wir in der Luxus-Situation, dass wir die Spekulation rundum Makro- und Marktentwicklungen, die niemand zuverlässig voraussagen kann, getrost anderen überlassen und uns umso mehr auf die entscheidenden Faktoren fokussieren können.
Wie Sie aus den Betätigungsfeldern unserer Unternehmen erkennen, sind wir trotz der hohen Portfoliokonzentration mehr als ausreichend diversifiziert. Die größten potentiellen Risiken für unser Portfolio sind technologische Disruption und signifikant steigende, weitverbreitete Inflation sowie damit einhergehend wesentlich höhere Zinssätze. Was mich etwas tröstet ist, dass ich aktuell nicht wüsste, wie wir uns besser vor solche Risiken schützen können als mit unseren Firmen.
Die übliche Empfehlung, bei drohender Inflation und womöglich steigenden Zinssätzen auf Rohstoff- bzw. Energieunternehmen und sogenannte “Substanzwerte” zu setzen, halte ich für wenig ratsam bis falsch, da man bei diesen makrobasierten Entscheidungen sich auf ein Timing-Spiel einlässt und in der Regel in Unternehmen investiert, die mittel- und langfristig weniger attraktiv sind. Mit “Substanzwerte” sind meist kapitalintensive Unternehmen gemeint, die in Wirklichkeit bei steigender Inflation leiden.
Unsere Firmen sind bis auf eine bewusste Ausnahme finanziell sehr gut ausgestattet und besitzen eine gute Preisdurchsetzungsmacht oder profitieren aufgrund ihrer Geschäftsmodelle in gewissem Maße von steigender Inflation und höheren Zinssätzen.
Fast alle anderen Assets inkl. Bargeld sind von diesen Risiken stärker gefährdet als unsere Firmen und ich hoffe, dass ich in den Abschnitten “Wo wir stehen” und “Investieren vs. Spekulieren” hinreichend vor den Gefahren der Spekulation mit Gold, Kryptowährungen und anderen unproduktiven Objekten warnen konnte.
Wenn unsere Unternehmen liefern, was ich erwarte, werden sie sich betriebswirtschaftlich so entwickeln, wie in den letzten drei Jahren (2018: +16%, 2019: +19%, 2020: +17%). Da sie meiner Ansicht nach unterbewertet sind, können ihre Aktien noch besser abschneiden. Folglich würden sie so selbst bei steigender Inflation und steigenden Zinsen wahrscheinlich ein zufriedenstellendes Ergebnis erzielen. Die Marktgegebenheiten können wir uns nicht aussuchen, wie wir uns positionieren aber allemal. Ich danke Ihnen sehr für Ihr Vertrauen und für die hervorragende Partnerschaft zu guten wie zu herausfordernden Zeiten. Bitte zögern Sie nicht, mit mir Kontakt aufzunehmen, wenn Sie Fragen oder Anregungen haben.
Mit den besten Wünschen,

Bahram Assadollahzadeh, CFA Mai 2021
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